Beim Versuch, durch die Corona-Krise verlorene Umsätze wenigstens zum Teil durch verkaufsoffene Sonntage wieder einzuholen, wollen Kommunen und Händler das Land NRW in die Pflicht nehmen. Ob das gelingt, ist fraglich. Denn gegen die Pläne wehrt sich die Gewerkschaft Verdi, die nach mehreren höchstrichterlichen Erfolgen derzeit gegen Öffnungspläne unter anderem in Krefeld, Schwerte und Düren klagt.
Das Ministerium hatte den Kommunen per Erlass vom 14. Juli ermöglichen wollen, bis zum Jahresende maximal vier verkaufsoffene Sonntage anlassfrei zu genehmigen, damit die Einzelhändler Umsatzeinbußen aus der Corona-Krise aufholen könnten. Die Begründung Umsatzeinbußen ließen die Richter jedoch nicht gelten. Sie könnte „praktisch überall für jeden Sonntag angeführt werden“, hieß es. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen sei im Grundgesetz festgeschrieben. Die geöffneten Geschäfte müssten als Ausnahme von der allgemeinen sonntäglichen Arbeitsruhe zu erkennen sein.
Zudem ließen die Öffnung der Geschäfte von Montag bis Samstag umfassende Erwerbsmöglichkeiten für den Einzelhandel. Der Schutz des arbeitsfreien Sonntags habe angesichts der „Verwischung von Alltagsrhythmen“ durch die Corona-Krise „besonderes Gewicht“. (Az. 4 B 1260/20.NE und 4 B 1261/20.NE). Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
Hohe Hürden per Gericht bekräftigt
Zuletzt hatte auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entsprechend entschieden und hohe Hürden für eine Sonntagsöffnung bekräftigt. Diese sind nach der Rechtsprechung möglich, wenn besondere Anlässe wie Feste, Handwerker- oder Jahreszeitenmärkte eh bereits zahlreiche Besucher in Innenstädte locken. Weil solche Anlässe aber wegen der Corona-Schutzmaßnahmen vermehrt abgesagt wurden, sei etwa jeder zweite der für 2020 vorgesehenen verkaufsoffenen Sonntage in NRW ausgefallen, hatte das NRW-Wirtschaftsministerium erfolglos argumentiert. Den Händlern sei ein Umsatz von geschätzt 1,8 Milliarden Euro entgangen.
Die OVG-Urteile sehen Handelsexperten als klaren Erfolg für die Gewerkschaft Verdi. Deren Position ist eindeutig: „Eine Sonntagsöffnung bringt nichts. Sie verschiebt nur den Umsatz aus der Woche auf den Sonntag. Die Leute haben schließlich nicht mehr Geld in der Tasche“, sagte Nils Böhlke, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Handel in NRW, auf Anfrage. Der Einzelhandel in NRW habe im ersten Halbjahr ein Prozent zugelegt. Allerdings räumte Böhlke ein, dass es im Textil- und Schuhhandel gravierende Einbrüche gegeben habe. Die Verdi-Landesfachbereichsleiterin für den Handel, Silke Zimmer, nennt die OVG-Urteile ein wichtiges Signal an die Beschäftigten. „Das Grundrecht auf Sonntagsschutz gilt auch in Corona-Zeiten.“ Damit habe das Gericht dem Versuch der Landesregierung, anlasslose verkaufsoffene Sonntagsöffnungen zu erlauben, einen Riegel vorgeschoben.
Klare Regeln sollen her
Der Einzelhandelsverband HDE fordert nun klare Regelungen: „Wir brauchen dringend mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten“, meint Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Gerade jetzt wäre es beispielsweise für viele am Rande der Insolvenz stehende Bekleidungshändler wichtig, dass sie die Gelegenheit bekommen, zumindest ein wenig Umsatz an Sonntagen aufzuholen.“ Kurzfristige Absagen genehmigter Sonntagsöffnungen seien für die Händler „sehr bitter“. Viele hätten Werbung geschaltet und Personaleinsatzpläne angepasst, so Genth.
Die Kirchen im Rheinland sind von Sonntagsöffnungen im Einzelhandel nicht begeistert, hätten diese aber in der corona-bedingten Ausnahmesituation hingenommen. „Als Evangelische Kirche im Rheinland haben wir das Ansinnen des NRW-Wirtschaftsministeriums, vier verkaufsoffene Sonntage quasi zum Corona-Ausgleich zuzulassen, als einmalige Ausnahme nur deutlich zähneknirschend hingenommen“, teilte ein Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland mit.
Antonius Hamers, Direktor des Katholischen Büros NRW, sagte unserer Redaktion: „Im Wissen um die besondere Situation haben alle fünf Bischöfe und Erzbischöfe signalisiert, dass wir uns vor Ort nicht gegen solche Pläne stellen werden, wenn dies eine einmalige Regelung in diesem Jahr bleibt.“ Wenngleich der Sonntagsschutz für die Katholiken ein wichtiges Gut sei – in religiöser, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht –, sprach Hamers von einer „gangbaren Lösung“.
Ein Hoffnungsschimmer kommt aus Dortmund
Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) nannte die OVG-Entscheidungen bedauerlich und unverständlich. „Damit ist dem Handel und den Innenstädten nicht geholfen“, erklärte er. „Wir werden die Begründung prüfen und klären, wie nach Maßgabe des Gerichts Sonntagsöffnungen doch noch ermöglicht werden können, damit die Betriebe Umsätze aufholen und ihre Existenz sichern können.“
Hoffnungsschimmer gibt es aus Städten wie Dortmund. Dort wurde am vergangenen Sonntag im Stadtteil Mengede das Veranstaltungskonzept eines Festes so corona-konform angepasst, dass dadurch Geschäftsöffnungen möglich wurden. Aus dem ursprünglichen „Michaelisfest“ mit Kirmes und Rummel wurde das „Michaelis-Kultur-Wochenende“ mit Musik und Kleinkunst mit buntem Programm und Einlassbegrenzungen. (mit dpa)
- Wie Kommunen und Händler die Sonntagsöffnung durchsetzen wollen
- Die Regelungen aus der Region
September 08, 2020 at 12:06PM
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Ausgleich wegen Corona: Wie Kommunen und Händler die Sonntagsöffnung durchsetzen wollen - Kölnische Rundschau
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