Seit einigen Tagen kaufen die Deutschen günstiger ein. Zumindest ist das die Idee der Mehrwertssteuersenkung, die seit 1. Juli in Kraft ist. Denn während der Coronapandemie ist die Kauflaune der Deutschen - bis auf wenige Ausnahmen - abgeflacht. Nun gelten 16 Prozent statt 19, im ermäßigten Steuersatz 5 statt 7 Prozent. Wie geht es den Unternehmen in der Region damit?
Große Herausforderung für Firmen
"Die kurzfristig in Kraft getretene Mehrwertsteuersenkung hat Unternehmen, Steuerkanzleien und IT-Dienstleister vor große Herausforderungen gestellt", stellt Rolf Pfeiffer fest. Er ist Vorsitzender des IHK-Gremiums Amberg-Sulzbach und geschäftsführender Gesellschafter der Firma Deprag. "Der Verwaltungsaufwand für ein halbes Jahr Steuersenkung ist enorm."
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Markus Schiml betreibt unter anderem in Hirschau einen Edeka-Lebensmittelmarkt. Er habe Glück gehabt, denn der Unternehmensverbund habe eine Spezialabteilung für EDV und IT. "Alles, was Umprogrammierung und Preisänderung an Kasse und PC betrifft, wurde mir abgenommen", sagt er. Die Etiketten mit den Preisen am Regal mussten freilich trotzdem getauscht werden. Etwa 30.000 Stück pro Laden. Fünf Stunden lang wechselten die Mitarbeiter am Sonntag vor dem Datum die Preisschildchen. "Wenn es dabei bleibt, machen wir das am 1. Januar wieder." Denn bis dahin ist die Maßnahme befristet.
Schiml gibt den "günstigeren Preis" an seine Kunden weiter. Verpflichtet ist er dazu nicht. Er sagt, dass seine Branche die Unterstützung des Bundes eigentlich auch nicht gebraucht hätte. "Jemand, der in Kurzarbeit ist, oder arbeitslos wegen Corona wurde, profitiert vielleicht davon, wenn er Lebensmittel einkauft." Anzeichen, dass die Menschen mehr einkaufen bei ihm im Laden, habe er nicht beobachtet. Ob die Mehrwertsteuersenkung ein langfristiger Erfolg ist? "Das wage ich zu bezweifeln."
Noch keine Reaktion beim Heizöl
Dann wirkt sich die Senkung doch sicherlich auf Branchen aus, in denen der Kunde viel Geld in die Hand nehmen muss? Bei Heldrich-Mineralöle in Sulzbach-Rosenberg weiß man noch nicht, wie sich die Änderung bemerkbar macht. "Teils, teils", sagt Bianka Ambros. "Die einen kaufen, die anderen nicht." Sie gibt aber zu bedenken: "Jetzt beginnt mit den Sommerferien die Urlaubszeit in der Region." Da sei es jedes Jahr weniger. Im September oder Oktober könne es sein, dass die Menschen hier verstärkt Heizöl bestellen. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass ab Januar mit Mehrkosten wegen des verabschiedeten Klimapakets des Bundes zu rechnen sei.
Auch bei Möbel Frauendorfer in Amberg hat man nicht beobachtet, dass die Kunden mehr kaufen. "Ein Möbelstück ist ein langfristiger Bedarf", erklärt Markus Frauendorfer. Vielmehr mache sich aber unter den Kunden Verunsicherung breit. "Der Preis ist nicht drei Prozent günstiger." Und er stellt folgende Rechnung auf: Ein Möbel, das den Verkaufspreis 100 Euro hat, kostet den Kunden mit 19 Prozent Mehrwertsteuer 119 Euro. Jetzt sind es 116 Euro bei 16 Prozent Mehrwertsteuer. "Die Differenz sind aber keine drei Prozent."
Das Möbelhaus gibt die Mehrwertsteuersenkung an seine Kunden weiter, "weil wir die Kunden binden wollen." Wenn der Staat Vorteile gewähre, sollten die auch beim Endverbraucher landen. Für Frauendorfers Firma hat das aber zwei Nachteile. "Der Aufwand, Kassen, Systeme und Etiketten für ein halbes Jahr zu tauschen, ist gigantisch." Zwischen 10.000 und 20.000 Stück müsse er dafür in die Hand nehmen. Zum anderen stellt sich das Problem, wenn ein Kunde im November ein Möbel bestelle, das erst im Januar ausgeliefert werden kann. "Die Differenz der dann wieder höheren Mehrwertsteuer werden wir nicht nachfordern." In anderen Worten: Frauendorfer bleibt auf 2,52 Prozent sitzen. Auch er ist sich nicht sicher, ob die Senkung einen lang anhaltenden Effekt für die Wirtschaft hat. "Am ehesten noch für den Kunden, der einen sicheren Arbeitsplatz hat. Denn Möbel kauft nur der, der auch Geld dafür hat."
Wirtschaftlicher Nutzen
Ob alle Unternehmen in der Region Amberg-Sulzbach die Steuersenkung an die Endkunden weitergeben werden, kann Pfeiffer von der IHK nicht beurteilen. "Für die stark von der Coronapandemie betroffenen Branchen Gastronomie und Einzelhandel könnte das Nicht-Weitergeben jedoch einen gewissen wirtschaftlichen Nutzen bringen", mutmaßt er.
Auf jeden Fall hofft Pfeiffer, dass es am Ende keinen Ärger gibt: "Bei einer Betriebsprüfung gibt es viel zu beachten. Das stellt gerade kleiner Betriebe vor große Herausforderungen." Pfeiffer erwartet, "dass bei Abrechnungsfehlern im Nachhinein eine gewisse Großzügigkeit der Finanzbehörden angewendet wird".
July 15, 2020 at 09:07PM
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